Lieber Volker Wöhl,
sehr geehrte Damen und Herren,

zu Ihrem Bericht vom 3.12.2020 über das Stierkalb Goofy anbei eine aktuelle Presseerklärung der Tierschutzorganisation Rüsselheim e.V..

Mit herzlichen Grüßen,

Kathrin Hampf

P r e s s e e r k l ä r u n g

Lösegeldangebot für Goofy auf 6.000,- Euro erhöht

Die in Allmannshofen bei Augsburg ansässige Tierschutzorganisation RüsselHEIM e.V. hat ihr Angebot erneuert, dem Museumsdorf Volksdorf den Jungbullen Goofy abzunehmen, um dem Rind ein Leben in Freiheit und Sicherheit auf einem Lebenshof des Vereins zu bieten. Der Verein, der derzeit auf Lebenshöfen im ganzen Bundesgebiet ungefähr 2000 Rindern, Schweinen, Schafen und Kleintieren ein weitgehend freies, beschütztes Leben ermöglicht, erhöht sein erneutes Ablöseangebot auf 6.000 Euro.

Vorgeschichte:

Im Rahmen eines Schulprojekts wollte eine Hamburger Schulklasse des Walddörfer Gymnasiums die Aufzucht eines Kälbchens bis zur Schlachtung begleiten. 2018 hatten die Schüler auf einer Klassenfahrt nach Tirol die Geburt eines Bullenkälbchens miterlebt. Nachdem sie erfahren hatten, dass der junge Bulle als Schlachttier verkauft werden sollte, wollten die Schüler das Kälbchen zunächst retten. Möglicherweise war das zu viel Sentimentalität in den Augen derer, die das Bewusstsein der heranwachsenden Generation passgerecht auf die herrschenden Zustände dieser Welt formen sollen; oder es war Opportunismus gegenüber den Betreibern des Museumsdorf Volksdorf, die die Übernahme von Goofy an die Bedingung knüpften, diesen letztendlich zu schlachten. Die Schüler wurden vom Wert des Verrates für den Verräter überzeugt, Goofy sollte seinem bestimmungsgemäßen Zweck als Gulasch und Braten zugeführt werden, zuvor aber den Gnadenerweis einer guten Versorgung erfahren. Goofy wurde nach Hamburg im nur wenige Hundert Meter vom Gymnasium entfernten Museumsdorf Volksdorf untergebracht. Die Klasse sollte hier Goofys Aufzucht bis zur anvisierten Schlachtung nach eineinhalb Jahren begleiten.

Als im vergangenen Dezember die geplante Tötung von Goofy nahte, brandeten Proteste auf. Eine Petition sammelt mehr als 23.000 Unterschriften. Schließlich lenkten die Verantwortlichen unter dem öffentlichen Druck ein. Das Angebot von Lebenshöfen, Goofy zu übernehmen, wurde jedoch abgeschlagen. In den Köpfen der Verantwortlichen ist offenbar kein Platz für die Vorstellung, dass ein Rind allein um seiner selbst willen leben möchte und ihm dieser Wunsch gewährt wird. Nichts beschämt mehr als ein befreiter Sklave. Man entschied sich, Goofy als Zugochse im Museumsdorf einzusetzen.

Ein Schicksal für Goofy, das der Verein RüsselHEIM nicht akzeptieren kann. Nachdem nun vor wenigen Tagen die Cornelsen Stiftung Lehren und Lernen dem Schulprojekt „Go for Goofy“ einen der vier Zukunftspreise verlieh, erneuerte der Verein Rüsselheim das Angebot, Goofy zu übernehmen.

„Goofy ist aus rein physischen Gründen nicht befähigt, die Rolle eines Zugochsen zu übernehmen. Seine Rasse ist körperlich nicht für diese Belastung geeignet, er wird die Erwartungen nicht erfüllen können“, argumentiert die Vorsitzende des Vereins, Doris Rauh. „Versklavung ist auch keine gute Alternative zur Schlachtung. Die Ausbildung zum Zugochsen bedeutet, mit List, Tücke und Gewalt systematisch den Willen und den Geist des Tieres zu brechen. Das ist ein Unrecht. Wir sind erschüttert, dass an diesem Gymnasium die Entscheidungsträger offenbar hinter spätmittelalterlichem Bewusstsein zurückgeblieben sind, für das der diesbezüglich bedeutendste französische Dichter François Villon mit seinem Gedicht „Wie man einen Sklaven macht“ steht. Offenbar kennen sie es nicht oder haben seine Botschaft nicht verstanden.“

Jedenfalls sei, so der Verein weiter, die Blindheit der Entscheidungsträger nicht vorbei. Man versuche es deshalb mit einem neuen Angebot an diejenigen, die erkennbar über das reine Nutzenkalkül bescheidener praktischer Vernunft nicht hinausgekommen seien. Doris Rauh: „RüsselHEIM erhöht sein Angebot auf 6.000 Euro für die Herausgabe von Goofy, um dem Rind die demütigende und qualvolle Sklaverei zu ersparen und ihm sein natürliches Recht auf ein freies Leben zurückzugeben. Weil es sein gutes Recht ist.“

Der Verein hofft, dass die Verantwortungsträger ihren Machtkampf auf dem Rücken von Goofy endlich aufgeben und die Lehre aus Villons Kulturgut ziehen, auch wenn ihnen alle tierrechtlerischen Argumente und angemessenes Mitgefühl mit dem potentiellen Delinquenten bisher als Quelle der Erkenntnis für eine faire Entscheidung verschlossen blieb.

Das, was Villon eindringlich beschrieb, hat Goofy jedenfalls nicht verdient:

* Wie man einen Sklaven macht

Muss ich noch fragen um zu wissen, wie es tut
Ins Joch gespannt, die Kehle zugeschnürt
Ich sah es ja bei einem jungen Ochsen
Die Blindheit ist vorbei
Ich habe nachgedacht –
Ich weiß ja, wie man einen Sklaven macht
Aus einem jungen Ochsen.

Er war so jung und glatt
Geboren frei zu sein
Er bat um nichts
War seines Lebens froh
Die Menschen aber wollten ihn sich zähmen
Und taten so, als würde Hilfe ihm gebracht
Ich weiß ja, wie man einen Sklaven macht
Aus einem jungen Ochsen.

Er wehrte sich, er kämpfte um sein Recht
Doch sie umringten ihn, erfahren wie sie sind
Und nutzten ihre List, um ihn zu brechen
Das Kleid der Unschuld deckt viel Niedertracht
Ich weiß ja, wie man einen Sklaven macht
Aus einem jungen Ochsen.

Er stand so müde da, er stand allein
Voll Trauer war sein Schrei
Gebell der Qual
Man lockerte den Strick, damit er atme
Und zog ihn wieder zu mit Vorbedacht
Ich weiß ja, wie man einen Sklaven macht
Aus einem jungen Ochsen.

Ich sah ihn später wieder
Sanft – geknickt
Er zog den Pflug, den Doppelfurchenpflug
Er schlurfte tief gebückt einher und stöhnte
Um nicht zu sterben, schleppte er willig seine Fracht
Ich weiß ja, wie man einen Sklaven macht
Aus einem jungen Ochsen.

Ich sah ihn seines Weges ziehen, den Berg hinan
Den Rücken vollgepackt verdiente er sein Brot
Die Arbeitsfreude ist ein Teil der Ernte
So hat sein Schweiß auch seinem Herrn viel eingebracht
Ich weiß ja, wie man einen Sklaven macht,
Aus einem jungen Ochsen.

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Kathrin Hampf (16.04.2021; 10:53 Uhr)
KathrinHampf@t-online.de

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Veröffentlicht von „der fellbeißer“© ( www.fellbeisser.net/news/ ) am 16.04.2021
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