Sehr geehrter Herr Schubert,

Ihre Ankündigung in der SZ in Form eines kurzen Artikels zur vierten Mahnwache am Münchner Schlachthof vom 23.-24.April habe ich erst heute gelesen.
Erlauben Sie mir zunächst eine Frage, nachdem hervorgeht, dass Sie offensichtlich auf der offiziellen Facebook Veranstaltungsseite mitgelesen haben: Wieso haben Sie mir als Initiatorin dieser Mahnwache keine Fragen gestellt? Das wäre ein Zeichen von gutem und fundiertem Journalismus gewesen. Heimlich mitzulesen und dann einen vor Hohn triefenden Artikel zu schreiben, ist ein Leichtes.
Ganz offensichtlich geht aus Ihrem Artikel hervor, dass Sie sich noch nicht eingehend mit dem Thema Tierrechte beschäftigt haben oder mit den bereits verheerenden Konsequenzen einer verachtenden Massentierhaltung. Genauso wenig scheint Ihnen bekannt zu sein, dass der massive Fleischkonsum Anteil am Hunger in den Entwicklungsländern trägt und eine der größten Bedrohungen für das Überleben der Menschen und den Planeten selbst darstellt. Dies sind Fakten, die Sie jederzeit überall nachlesen können; ich habe sie mir nicht ausgedacht. Ihr Artikel gießt damit in letzter Konsequenz nicht nur Hohn über die Tiere oder die Menschen, welche sich für sie einsetzen, sondern auch über hungernde Menschen.

Sehr geehrter Herr Schubert, ist Ihnen das Leid der Tiere wirklich gleichgültig? Ich gehe davon aus, dass auch bei Ihnen ein Stückchen Empathie im Herzen zu finden ist. Empathie bezieht sich per Definition nicht nur auf den zwischenmenschlichen Bereich. Vielleicht hätten Sie das gefühlt, wenn Sie ein paar Stunden bei dieser Mahnwache mit dabei gewesen wären und die Transporter mit den Tieren, die in den Schlachthof einfuhren, gesehen hätten. Wenn Sie die verzweifelten Rufe der Rinder gehört hätten, die in der Schleuse auf ihren Tod warten müssen. Ihre Blicke durch die kleinen Öffnungen der Transporter gesehen hätten. Wenn Sie die Schreie der Schweine gehört hätten, die nur nachts und bis in die frühen Morgenstunden angeliefert und geschlachtet werden; eben, weil sie so laut schreien.
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Ich frage mich, ob Sie diese Sätze dann noch geschrieben hätten – ich zitiere: „Und was soll man auch dagegen haben, wenn sich die Besseressis zunehmend ausgerechnet im Schlachthofviertel (ganz oben auf der Hipligkeitsskala) niederlassen? Für die ist das Viertel ganz praktisch gelegen, weil sie es nicht mehr weit haben zu den Mahnwachen gegen das Töten von Tieren. Diesen Donnerstag und Freitag werden Tierschützer wieder am Schlachthof Grabkerzen aufstellen und Bilder von Kuhgesichtern zeigen, mit Texten wie: „Wenn du tief in meine Augen blickst, kannst du es immer noch zulassen, dass ich getötet werde?“ Sie tun dies natürlich nicht, ohne vorher auf Facebook darüber diskutiert zu haben, ob Grabkerzen wirklich keinen Rindertalg enthalten und wie umweltschädlich genau die Dinger sind. Kein Scherz: Beim Thema Tierschutz und Umwelt hört der Spaß selbstverständlich auf.“
„Sich ohne Fleisch zu ernähren ist hipper denn je“. Die vegane Lebensweise ist keine „hippe“ Modeerscheinung oder ein Trend, sondern eine Notwendigkeit. Sie gründet sich auf Ethik, Empathie und Verantwortungsbewusstsein – das sind alles keine „hippen“ Dinge. Und nein, Herr Schubert, Veganer_Innen sind nicht die besseren Menschen, wie Sie das in Ihrem Artikel abwertend darstellen, aber sie sind vielleicht die aufmerksameren, solche, die sich mehr Gedanken über Zusammenhänge machen und Menschen, deren Empathie nicht vor dem Tellerrand mit dem Stück Schweineschnitzel aufhört.
Und natürlich: Es gibt unendlich viel Leid auf dieser Welt und leider so viele Gründe und Gelegenheiten, um Lichter anzuzünden. Ob es Flüchtlinge sind, Hungerkatastrophen, Kriege, Erdbebenopfer oder Opfer menschlicher Gewalt. Tiere sind genauso Opfer menschlicher Gewalt. Für Sie, Herr Schubert, mag das etwas Selbstverständliches und nichts Verwerfliches sein, denn Ihre Weltanschauung ist anthropozentrisch und grenzt damit andere Mitbewohner dieses Planeten in ihrer Leidensfähigkeit und ihrem naturgegebenen Recht auf Leben aus.
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Schwächere Wesen mit Hohn und Spott zu übergießen, wie Sie es in Ihrem Artikel vor allem mit den Tieren getan haben, ist ein Zeichen Ihrer Schwäche und Ihres Unverständnisses. Ein Artikel wie der Ihre bestärkt mich umso mehr in meinem Tun für jene, welche nicht für ihre Rechte kämpfen können. Der anthropozentrische Herrschaftsanspruch verursacht bei mir vor allem eines: Wut. „Wut allein reicht nicht – der Wut muss die Handlung folgen.“ Dieser Satz meines Vaters, dem Gründer von Menschen für Menschen, begleitet mich schon lange. Mein Vater wurde nie gefragt, warum er sich nicht auch für Tiere einsetzt – warum begegnen Menschen, die sich für die Tiere einsetzen, immer wieder diesem Vorwurf? Haben Sie eigentlich eine Ahnung, wie viele Menschen, die sich für Tiere einsetzen, genauso für Menschen einsetzen? Warum sollte das Eine das Andere ausschließen?
Ich zitiere nochmals: „Wir wollen deshalb auch nicht spießig sein und sagen, dass es gerade in Zeiten, in denen sich eine Krise und humanitäre Katastrophe an die nächste reiht, vielleicht passendere Anlässe gäbe, um Grabkerzen aufzustellen. Leid mit anderem Leid zu vergleichen, ist genauso albern wie das Sendungsbewusstsein radikaler Tierschützer. Wir könnten uns aber dazu hinreißen lassen, ihnen zu raten, doch bitteschön mal auf dem Teppich zu bleiben. Von uns aus darf das gerne einer aus biologisch angebauter Baumwolle sein, garantiert ohne Schafsfell oder sonstigem Raubgut aus der Tierwelt.“
Eine journalistische Federführung, die Wörter einfach „hip“ aneinanderreiht und inhaltlich hohl ist – das ist beschämend für eine Zeitung wie die SZ. Welche ich im Übrigen bis auf Weiteres nicht mehr kaufen werde.
www.sueddeutsche.de/muenchen/m…

Mit freundlichen Grüßen

Daniela Böhm

10 Kommentare

  1. Mehr ist dem nicht hinzuzufügen.
    Alles wurde von Frau Böhm exakt auf den Punkt gebracht.
    Jeder Satz und jede Silbe trifft in‘ Schwarze.

  2. Liebe Daniela, danke für diese bemerkenswert gute und immer sachlich ruhig gebliebene Antwort auf eine für mich absolut nicht ernst zu nehmende Person. Ich würde mich hinsichtlich dieses Hr. Schuberts sehr gerne ganz anders ausdrücken, jedoch bist Du wie immer als gutes Vorbild vorangegangen und ich kann mich gerade noch zusammennehmen. Fakten sind: Empathielosigkeit und ein Hang zur Megalomanie sind ja heutzutage ganz hip, normal im wahrsten Sinne des Wortes sind sie jedoch nicht. Da kann man/n jederzeit und immer gerne einen Psychiater zu Rate ziehen. Mehr ist Deinen klugen Worten liebe Daniela nicht hinzuzufügen! Danke an Dich und alle, die die heutzutage noch klar denken und empfinden können! Liebe Grüße Martha Englmann aus dem leider heutzutage hippen Harlaching! P.S. Wie schön könnte der Münchner Süden sein….

  3. Liebe Daniela, ich danke für Deine klaren Worte. Mein Leserbrief hat die Redaktion bereits ebenfalls erreicht. Liebe vegane Grüße aus dem für Tierrechte aktiven Landshut in Niederbayern (ja, auch hier setzt sich der „hippe Trend“ fort 😉 )

  4. Ich habe nur einen einzigen Wunsch in meinem Leben: Für jeden Menschen soll der Zeitpunkt kommen, an dem er alles rechtfertigen, und dafür gerade stehen muß, was er den Schwächeren zuleide getan und sie nicht beschützt oder bewahrt hat, obwohl er es hätte können……………..
    Lieber Gott wenn es Dich gibt, vergib ihnen nicht, denn sie wissen genau was sie tun!!!!!!!!!!

    Verein Aktiv für Tiere e. V. Göppingen
    1. Vorsitzende

  5. Ich hätte nicht geglaubt, dass die SZ so etwas unter Berichterstattung versteht; ich werde sie auch nicht mehr kaufen.

  6. Liebe Daniela Böhm,
    vielen Dank für diese wunderbare Entgegnung auf ein derart widerwärtiges Geschreibsel. Es ist unfassbar, dass moderne Menschen eines zivilisierten Landes nicht längst die Möglichkeiten der vielfältigen Informationen genutzt und Konsequenzen daraus gezogen haben. Es ist so unendlich armselig an alten, überkommenen und todbringenden „Glaubenssätzen“ festzuhalten, Tiere und Menschen und Leid und Elend zu stürzen und sich dabei in seinem Wohlstandseckchen gut zu fühlen. Gut, dass Sie da Paroli geboten haben!

  7. Danke liebe Daniela Bröhm, hast du super geschrieben und trifft den Nagel auf den Kopf. Habe den ursprünglichen Artikel nicht gelesen, bekomme aber allein durch die Zitate schon eine Wut..

    Vielen lieben Dank, dass du aussprichst,was viele denken!

  8. Vielen vielen Dank liebe Daniela Boehm für die perfekte Antwort auf eine wahrscheinlich vom Fleischlobby gesteuerten nicht unabhängigen „Berichterstattung“. Absolut enttäuschend von einem Media wie der SZ…

  9. Im Zusammenhang mit den Ermittlungspannen bei den NSU-Morden fiel einmal der Satz: „Manchmal reicht menschliche Dummheit einfach als Erklärung aus.“ Ich finde, dies trifft auch genau für jene selbstherrlichen Ignoranten zu, die uns Menschen (und besonders wohl sich selbst) immer noch für die „Krone der Schöpfung“ halten und alle anderen Lebewesen nach Belieben für ihre Zwecke benutzen.

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