Das Elend der Tiere beginnt dort, wo der Mensch einen Unterschied zwischen ihrer Leidensfähigkeit und der seinen macht. Der Speziesismus bestimmt sein Handeln und genauso bedingt sein den Tieren auferlegter Rassismus oft genug ihr Schicksal. Denn innerhalb der Tierwelt klassifiziert der Mensch und unterteilt in höher und niedriger, mehr wert oder weniger, nutzbringend oder nicht. Straßenhund oder Rassehund, Haustier oder Nutztier.

Den Rauhaardackel kann man neben dem bayerischen Löwen als das tierische Maskottchen der Landeshauptstadt bezeichnen. Schon oft habe ich mich gefragt, was wäre, wenn in der Tierversuchshochburg München statt unzähliger anonymer Mäuse, Ratten, Kaninchen oder Schweinen, auf einmal nur noch Rauhaardackel in sterilen Laboren und engen Käfigen sitzen würden? Wie würden die Menschen reagieren, wenn sie erfahren würden, dass mitten in München hinter so manch dicker Mauer Zigtausend Rauhaardackel in entsetzlichen Versuchen gequält oder zu Tode gefoltert werden? Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen auf die Straße gehen würden, nicht nur hundert oder zweihundert – nein – halb München wäre auf den Beinen, um gegen diese Grausamkeiten zu demonstrieren. Aber es geht ja nur um Mäuse, Ratten oder Kaninchen – keine Tiere, die mit dem bayerischen Rauhaardackelstatus mithalten könnten.

Gesunde Tiere werden krank gemacht, um Pharmazeutika zu erforschen, die den Menschen gesund machen sollen. Grundlagenforschung wird mit furchtbaren Experimenten an hilflosen Wesen betrieben, die der Mensch in seinen todbringenden Dienst zwingt. Es ist komplett absurd. Tierversuchsforschung ist absurd, grausam und ethisch nicht vertretbar.
Was kann uns wirklich gesund werden lassen, wirklich heil machen? Kein menschlicher Organismus gleicht dem anderen. Schon allein deshalb, weil Lebensumstände, Gewohnheiten, genetische Veranlagungen, Umwelteinflüsse, Erfahrungen, die Psyche etc. jeden Organismus prägen. Jede Entstehung von Krankheiten beim Menschen hat vielschichtige Ursachen, kein Mensch ist wie der andere, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich. Wie kann das Verhalten von Tieren also auf den Menschen übertragbar sein und ihre Reaktionen aussagekräftig genug, um einen wirklichen Heilungsprozess beim Menschen durch ein bestimmtes Mittel vorherzusagen?

Die Gräueltaten des Dr. Mengele und anderer Ärzte während des Nationalsozialismus sind hinlänglich bekannt und so furchtbar, dass man am liebsten nichts davon lesen oder wissen wollte. Ein Horrorfilm, der in der Wirklichkeit stattgefunden hat, ein Kapitel des düstersten Kapitel deutscher Geschichtsschreibung. Nein, ich möchte dieses Grauen, das Ausmaß dieses Grauens, dieser Tragödie, nicht vergleichen und habe die größte Anteilnahme und Trauer für die Opfer.
Aber ich stelle die Frage nach der Leidensfähigkeit. Was ist mit der Leidensfähigkeit anderer Wesen, denen man grauenvolle Experimente im Namen einer vermeintlichen Wissenschaft antut? Ist sie beim Tier anders als beim Menschen? Ist die Todesangst eine andere? Das Empfinden von Schmerz, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Hunger oder Durst?
Die tierexperimentelle Forschung liest sich wie ein Sammelsurium aus einem Gruselroman. Mäuse müssen beispielsweise für die Erforschung von Depressionen bis zur Erschöpfung schwimmen oder werden mit Elektroschocks so lange malträtiert, bis jeglicher Wille gebrochen ist. Ein Ulmer Wissenschaftler hat zwanzig Jahre lang Skorpione in den Weltraum geschickt, festgetuckert auf einer Platte, um den Einfluss der Schwerkraft auf die Tiere zu untersuchen. Jungen Ratten wurde Alkohol in die Bauchhöhle injiziert, um zu beweisen, dass Alkohol für Jugendliche schädlich ist. Sind derartige Foltermethoden in irgendeiner Weise zu rechtfertigen?

Copyright (c) Angelika Wohlfarth
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Wenn man sich mit der unendlich langen Liste der Tierversuche beschäftig, bleibt nur das blanke Entsetzen über Ärzte und Wissenschaftler zurück, die Qual, Folter und Tod billigen und im Namen derer gutheißen, die krank sind. Oder eben um des eigenen Ruhmes willen. Es ist eine bittere und traurige Wahrheit, dass Tierversuche in wissenschaftlichen Kreisen immer noch anerkannt sind und Veröffentlichungen in Fachzeitschriften unter Bezugnahme dieser, einen wichtigen Meilenstein auf der Karriereleiter eines Wissenschaftlers bedeuten.
Die tierversuchsfreie Forschung ist – wenn auch langsam – auf dem Vormarsch. Sie wird jedoch von Pharmakonzernen und der Politik noch viel zu wenig unterstützt und vorangetrieben.

Wenn Tiere mit uns kommunizieren könnten, wenn wir sie wirklich verstehen könnten, was würden wir ihnen antworten auf die Frage, warum sie so viel unsägliches Leid durch den Menschen erdulden müssen? Hat der Mensch das Recht, sich über andere Wesen auf diesem Planeten zu stellen? Rechtfertigen die Unterschiede zwischen Mensch und Tier, das Anderssein, sowie die Tatsache, dass Tiere nicht reden können oder das gleiche Bewusstsein haben, die Leiden, die er ihnen zufügt? Rechtfertigt es Ausbeutung, Tod, Missbrauch, Qualen und Folter? Soll das die Rechtfertigung für Tierversuche sein?
Es ist eine kalte, vom anthropozentrischen Denken geprägte Rechtfertigung. Sie ist ohne Herz und Gefühl, sie stellt den Menschen als Alleinherrscher und das Maß aller Dinge in den Mittelpunkt und vergisst jene, die schon lange vor ihm da waren und ohne die er nicht leben könnte, weil sie das Gleichgewicht der Erde halten. Aber der Mensch tut alles, um dieses Gleichgewicht zu zerstören, er vergiftet die Luft und die Böden, er rottet die Tiere aus, er produziert Nahrungsmittel, die seiner Gesundheit schaden, er verschmutzt die Flüsse und Meere und fischt sie leer, er produziert und tötet Tiere wie eine Massenware am Fließband und lebt nicht seiner Natur gemäß und im Einklang mit der Erde und den Tieren. Und dann wird er krank, bekommt alle möglichen sogenannten Zivilisationskrankheiten und ohne sich zu fragen warum, möchte er eine Wunderpille, für welche die Tiere in Versuchen leiden und sterben müssen.

Copyright (c) Angelika Wohlfarth
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Respekt ist ein Wort, das heutzutage an vielen Ecken und Enden fehlt. Respekt zwischen den Menschen, Respekt gegenüber der Erde und Respekt für die Tiere. Respekt hat mit Achtung zu tun. Die Achtung gegenüber diesem vielfältigen, wundersamen und wunderbaren Leben, das uns umgibt, haben viele Menschen verlernt. Und sie fehlt vor allem bei dem Wissenschaftler, der Ratten quält und ebenso bei dem Vorstandsmitglied eines Pharmakonzerns.

All die Qualen der Tiere werden erst ein Ende finden, wenn der Mensch seinen anthropozentrischen Herrschaftsanspruch aufgibt und Tiere als Mitlebewesen auf diesem Planeten respektiert. Wenn er sein Herz öffnet, für ihre Bedürfnisse, wenn er erkennt, dass jedes Wesen auf dieser Erde, das gleiche Recht auf ein Leben hat, welches seiner Natur entspricht.

Copyright 2016 (c) Daniela Böhm
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