Helmut F. Kaplan

In der Tierrechtsbewegung gibt es so etwas wie ein ungeschriebenes Optimismus-Gebot: Man muss immer an den Erfolg der Bemühungen in Richtung Befreiung der Tiere glauben. Das mag im Umgang mit jenen, die es noch zu überzeugen gilt, ja durchaus sinnvoll sein. Schließlich ist es schwierig, jemanden für eine Sache zu gewinnen, von deren Erfolg man selber nicht überzeugt ist. Aber intern birgt dieses mentale Dauerlächeln und das damit einhergehende Denkverbot bezüglich weniger positiver Zukunftsaussichten große Gefahren mit sich:

Strategisch: Der Zwangs-Optimismus kann dazu führen, dass effektiv erfolglose Methoden viel zu lange angewendet werden, weil ihre Erfolglosigkeit aufgrund der systematischen Wahrnehmungsverzerrung nicht erkannt wird.

Psychologisch: Der Zwangs-Optimismus kann seelisch krank machen, wenn er eine immer stärkere Realitätsverleugnung verlangt. Hinzu kommt: Weil sich niemand über “pessimistische“ Zukunftserwartungen zu reden traut, glaubt jeder, dass nur er sie hat – und fühlt sich doppelt hoffnungslos.

Die verheerenden Folgen von Denkverboten sind ja bei vielen Religionen zu besichtigen, wo das Denken mehr oder weniger durch das Glauben ersetzt wird. Das Ergebnis sind Dogmen und Wahrnehmungen, die mit der Realität immer weniger zu tun haben. Was dies für eine politische Bewegung im allgemeinen, für die Tierrechtsbewegung im besonderen und konkret für die Tiere bedeutet, liegt auf der Hand – eine Katastrophe: Wer die Wirklichkeit nicht mehr richtig wahrnehmen kann, kann sie auch nicht wirksam ändern.

Deshalb plädiere ich für eine schonungslose Analyse: Welche Methoden wurden bisher angewandt? Welchen Erfolg haben sie gebracht? Gibt es eine realistische Chance, mit diesen Methoden in absehbarer Zukunft ein akzeptables Ergebnis zu erzielen?

Zu einer schonungslosen Analyse gehört natürlich auch, vor einem möglicherweise notwendigen Nein auf die letzte Frage die Augen nicht zu verschließen. Das wäre dann zwar ein alles andere als ermutigendes Ergebnis, aber noch immer viel besser, als optimistisch zwangsprogrammiert weiterzuwerkeln. Schließlich ist besser zu wissen, dass etwas nicht funktioniert, als dies nicht zu wissen!

Und wenn wir zum Ergebnis kommen, dass es unrealistisch ist, mit den bisherigen Methoden in absehbarer Zukunft zu einem akzeptablen Ergebnis zu gelangen? Zu welchen Methoden sollen wir dann greifen?

Ich weiß es nicht. Genau darüber muss dann nachgedacht werden. Was ich aber weiß, ist: Es wäre moralisch absolut inakzeptabel, weitere Jahrzehnte zuversichtlich auf das Greifen der bisherigen Methoden zu hoffen, während die Mordmaschinerie immer schneller rotiert und deren Akzeptanz – geschickt dirigiert von den Profiteuren – nicht ab-, sondern zunimmt. Das Ertragen der Wahrheit ist die erste Voraussetzung für die Veränderung der Wirklichkeit.

Copyright: Helmut F. Kaplan

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Dr. Helmut F. Kaplan (29.12.2007; 06:09 Uhr)

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