Selbstzweifel der Agrarindustrie-Lobby bestärken Agrarwende-Strategie
Selbst EU-Schweinehalter-Verband erkennt Perspektivlosigkeit des „Weiter so“

Selbst in den Reihen von agrarindustriell ausgerichteten Schweinehalter-Verbänden zeigen die ruinösen Schweinepreise und die gesellschaftlichen Forderungen nach einer Agrarwende erstaunliche Wirkungen. Darauf verweist der Landesverband Niedersachsen/Bremen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) mit Blick auf aktuelle Äußerungen von Erik Thijssen, dem Präsidenten der European Pig Producers (EPP). Thijssen, der im sächsischen Schwepnitz etwa 2.000 Sauen, 500 Aufzuchtsauen, 1.900 Mastschweine und 4.500 Aufzuchtferkel hält, fordere angesichts der Überproduktion und des lang anhaltenden Preistiefs ein „absolutes Umdenken“ der Schweinebranche und ein Nachdenken über „Weniger ist mehr“.

Die AbL hält es für sehr bemerkenswert, wenn EPP-Präsident Thijssen im Newsletter der agrarindustrie-nahen Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) klar konstatiere: Die Politik fordere „mehr und mehr eine Trendwende in unserem Produktionssystem“ – also würden in Europa die Kosten zur Erzeugung von einem Kilogramm Schweinefleisch steigen. Demgegenüber könnten Schweinehalter in Übersee bzw. in den USA wegen geringerer Anforderungen um 30% billiger produzieren und bei einer Durchsetzung des Freihandelsabkommens TTIP sogar hierher exportieren. Dies, so die AbL, würde das Vordringen von Agrarkonzernen und Agrarfabriken und damit die laufende Verdrängung mittelständisch-bäuerlicher Betriebe noch weiter beschleunigen.

Laut AbL fordert Thijssen deshalb zu Recht eine „Neuaufstellung“ der Schweinehalter gegenüber den Schlachthöfen mit ihren niedrigen Auszahlungspreisen und dem Handel mit seinem rein auf Preiswettbewerb ausgerichteten Fleischangebot. Thijssen plädiere richtigerweise für eine Strategie, bei der die Schweinehalter ihre Angebotsmengen in Überschuss-Situationen gemeinsam reduzieren und so der Nachfrage anpassen könnten. Ähnliche Strategien habe auch der niederländische Schweinehalterverband NVV erwogen. Diese Überlegungen im Schweinesektor, so die AbL, bestätigten einmal mehr die Forderungen des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM) nach einem politischen Rahmen für eine solche preiswirksame Mengenregulierung. Demgegenüber beharrten die Fleischkonzerne, der damit verbandelte Deutsche Bauernverband und deutsche Schweinehalterverbände immer noch auf ihrer neoliberalen Marktgläubigkeit mit einem perspektivlosen „Weiter so“ bei der Überschussproduktion.

Als erstaunlich bewertet die AbL auch folgende Überlegungen des EPP-Präsidenten Thijssen: „Warum muss der Stall immer bis auf den letzten Platz voll sein?“ „Warum müssen wir 35 Ferkel pro Sau produzieren?“ Der AbL-Agrarindustrie-Experte Eckehard Niemann greift diese Überlegungen auf und bekräftigt abermals die Forderung nach einer raschen Durchsetzung der EU-Schweinehaltungs-Richtlinien in allen EU-Mitgliedsländern – so wie bereits in skandinavischen und baltischen Ländern. Die von der EU-Kommission eingeforderten Tierschutzpläne müssten nach dem Vorbild Niedersachsens endlich auch in ganz Deutschland umgesetzt werden: mit einem Verbot des Abschneidens der Ringelschwänze, mit Zugang der Tiere zu Stroh und Auslauf und mit einem Ende der Kastenstände für Sauen. Eine solche Tierhaltung könnten allerdings agrarindustrielle Strukturen kaum umsetzen, sehr wohl aber mittelständisch-bäuerliche Strukturen.

Diese Tierschutzmaßnahmen, so die AbL, führten nicht nur zu einer artgerechteren Tierhaltung mit gesellschaftlicher Akzeptanz, sondern auch zu einer Mengenreduzierung und dadurch auch zu fairen Erzeugerpreisen. Agrarindustriell erzeugte Billigprodukte könne man dann ganz einfach nicht mehr kaufen, weil sie nicht mehr erzeugt werden dürften. Eine solche EU- Qualitätsoffensive für „Klasse statt Masse“ liefere zudem die besten Begründungen gegen das Freihandelsabkommen TTIP. Umgekehrt sei bei einer auf den EU-Binnenmarkt begrenzten Qualitätserzeugung die preisdrückende und aussichtslose Überschussproduktion für den Billig-Export nach China oder Russland endlich überflüssig. Die AbL fordere die Bundesregierung auf, jetzt endlich der Agrarwende in zahlreichen Bundesländern zu folgen.

LINKS:

www.dlg.org/3845.html

dlz.agrarheute.com/schweinemar…

www.bauernstimme.de/unabhaengi…

Mit freundlichen Grüßen,

Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) – 21.09.2015; 00:33 Uhr
Landesverband Niedersachsen/Bremen e.V. – Pressesprecher:
Eckehard Niemann, Varendorfer Str. 24, 29553 Bienenbüttel
0151-11201634 – eckehard.niemann@freenet.de

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Übersandt von:

Martina Patterson (21.09.2015; 11:00 Uhr)
pattersonmatpatt@gmx.net

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Veröffentlicht von „der fellbeißer“© (www.fellbeisser.net/news/) am 21.09.2015
twitter.com/fellbeisser

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